Hier findet man in vollkommen wertfreier Anordnung Kameras mit denen mir das Fotografieren besonderen Spaß macht 

Als erstes meine heißgeliebte Super Ikonta mit 4,5 x 6 cm Negativformat 

Diese Super Ikonta trägt die Seriennummer G71438. Entsprechend der Nomenklatur für die bei Zeiss-Ikon in Dresden verwendeten Nummernblöcke mit vorangestelltem Buchstaben, wurde diese Kamera mit hoher Warscheinlichkeit 1939 hergestellt. Gekostet hat sie damals vermutlich 145 Reichsmark, das entspricht so in etwa 537 Euro nach heutiger Kaufkraft (Quelle Wikipedia). Dieses Exemplar ist mit dem preiswerteren Carl Zeiss Novar Objektiv, natürlich unvergütet, mit Lichtstärke 1:3,5 ausgestattet. Das Novar ist ein vom Cooke-Triplet abgeleiteter 3-Linser. Es gibt diese Kamera natürlich auch mit dem legendären Carl Zeiss Jena Tessar, gleichfalls mit Lichtstärke 1:3,5. Dafür waren allerdings 1939 bereits 195 Reichsmark zu berappen. In die Diskussion, wie gut oder schlecht das Novar im Vergleich zum Tessar sei, werde ich mich nicht verstricken, dazu gibt es im Netz genug Lesestoff. Da beim verwendeten Negativformat 4,5 x 6 cm keine so starke Vergrößerung wie vom Kleinbildnegativ notwendig erscheint, halte ich das Zeiss-Novar für eine angemessene Optik. Ich kann mir schwer vorstellen, daß ein Markenbetrieb wie Zeiss-Ikon auch nur ansatzweise minderwertige Optiken verkauft haben würde.  

    

Ikonta

Über Siebzig und kompakt... 

Das Geniale an dieser wunderbaren Kamera ist ihre Kompaktheit. Zusammen-gefaltet passt sie wirklich in jede Jackentasche. Die gesamte Mechanik funktioniert perfekt, kein mechanisches Spiel, kein Wackeln, alles vermittelt einen grundsoliden Eindruck. Hier passt der oft fälschlich gebrauchte Satz von Wertarbeit. Auch das Negativformat finde ich ideal im Verhältnis zur kompakten Bauform, 16 Aufnahmen auf einem normalen Rollfim, einfach perfekt. Die 36 Bilder beim KB-Film vermisse ich bei dieser Kamera jedenfalls nicht, wobei es sich mit der Super Ikonta natürlich langsamer und damit meistens durchdachter fotografiert...

SuperIkonta

 

Endlich Mittelformat zum Mitnehmen

Man braucht natürlich erst einmal etwas Zeit, Belichtung schätzen oder besser mit Handbelichtungsmesser ermitteln, Film exakt transportieren (über die Nummer im roten Bildfenster auf der Kamerarückseite), Verschluss spannen, Belichtungszeit am Compur einstellen, Blende am Objektiv wählen. Das dauert. Und nicht das man damit fertig wäre, da war doch noch was... Scharfstellen! Leider ist der Autofocus an jeder Super Ikonta permanent defekt. Dazu darf man nicht vergessen, das Gegenstück für den eingebauten Drehkeilentfernungsmesser, eine entsprechende Linse, an einem Schwenkarm auf dem Objektivträger angebracht, auszuklappen.  Anschließend wird mittels einem gleichfalls auf der Frontseite angebrachten Rändelrad beim Blick durch den Entfernungsmesser versucht, die 2 Schnittbilder in Übereinstimmung zu bringen.  Das funktioniert sehr gut, subjektiv empfinde ich das Schnittbild wesentlich heller als bei meiner Contax II.  Zudem finde ich den Blick durch den Albada-Sucher mit eingespiegelten Leuchtrahmen besser als jeden modernen Kameramonitor. Man sieht einfach mehr und entscheidenderweise erfasst das Auge auch sehr schnell das (kommende) Geschehen.   

 

SuperIkonta

Auf den nachfolgenden Fotos erkennt man den aufgeklappten Albada-Sucher und den Einblick in den Schnittbildentfernungsmesser sowie die Einblicköffnung zum Ablesen der Bilderzahlen beim Filmtransport. Die Öffnung wird bei Nichtgebrauch mit einem Schieber verschlossen um Lichteinfall durch das Trägerpapier auf den Film zu vermeiden. 

Ikonta

   

Hier ist der Mischbild-Entfernungsmesser mit der vorgeschwenkten Einstelllinse, von der Frontseite aus, zu sehen, rechts im Bild der mit dem Zentralverschluß Compur über ein Gestänge gekuppelte Auslöser. Übrigens hat die Super-Ikonta bereits eine Doppelbelichtungssperre: Vor und nach jedem Auslösen muß der Filmtransportknopf betätigt werden, ansonsten blockiert der Auslöser den Verschluß. Optisch wird das auch auf der Oberseite angezeigt, eine weiße Markierung am Transportknopf zeigt an, daß der Film erst weitertransportiert werden muß, dann wechselt die Markierung nach rot. Da bei dieser Super-Ikonta nicht mit einer Filmabtastwalze gearbeitet, sondern nach dem Bildfenster der Film transportiert wird, können auch keine Überlappungen der Negative auftreten, Voraussetzung ist  ein natürlich entsprechender optisch genauer Filmtransport nach den auf dem Rückpapier aufgedruckten Bildnummern. Andere Super-Ikontas mit Meßwalze zur Filmabtastung müssen unter Umständen bei Verwendung von moderenen Filmen neu justiert werden, da die originalen Filme wesentlich dicker waren.

Rollfilme in 220er Länge können mit meiner Super-Ikonta natürlich nicht verwendet werden, diese Filme gibt es aber kaum noch.  

Super Ikonta

 

Die Seriennummer ist bei meiner Super Ikonta auf der Rückseite am Scharnier der Filmöffnung ins Leder geprägt. Man erkennt deutlich die Nummer G71438. 

Seriennummer Super Ikonta

 

Und was ist mit den Negativen? 

Generell bin ich von den großen Negativen begeistert. Soweit ich das beurteilen  kann, ist die Brillianz erstaunlich gut. Ich verwende oft ein helles Gelbfilter zur Tonwerttrennung bei SW-Aufnahmen. Natürlich bestehen bei unvergüteten Objektiven Kontrasteinbußen durch Reflektion an den Glas-Luft Flächen und verminderte Durchlässigkeit (Transmission). Beim Novar-Anastigmat mit seinen 3 freistehenden Linsen  ist der Streulicht- und Reflektionsgrad bei der SW-Fotografie durchaus noch akzeptabel. Wenn man nicht genau in eine Lichtquelle fotografiert, gelingen sogar passable Streif- oder  Seitenlichtaufnahmen trotz der unvergüteten Optik. Eine passende Gegenlichblende, original natürlich nur noch schwer zu bekommen (meine ist aus einem alten Steckfilter ohne Glas und einer darin eingeklebten passenden 50mm Gegenlichtblende selbstgebaut, ...75mm Gegenlichtblende war nicht zu finden...), hilft bei Seitenlichtaufnahmen entsprechende Lichtreflexe zu vermeiden. Bei offener Blende ist die Schärfeleistung in den Bildecken noch nicht mit der Mitte vergleichbar, ab Blende 5,6 ist die Schärfe gleichmäßig verteilt. Durch die gleitende Schärfeverteilung haben diese Bilder etwas vom "alten Stil" der Fotografie, ich finde das in vielen Fällen sehr angenehm.  

Skye 2012 graveyard

 

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